Eine sehr hilfreiche Reise!
Ich glaube jeder von uns kennt das. Man ist in eine Situation festgefahren und kommt einfach nicht allein wieder raus. Das können die einfachsten Sachen sein, wie zum Beispiel die Hände mit dem Einkauf voll zu haben und man steht vor der Tür mit dem Schlüssel im Mund, du sitzt auf Arbeit mit einer Herausforderung, die dich in die Knie zwingt, nachts eine Panne mit dem Auto – ohne Handy, am Straßenrand,…
In genau solchen Situationen freut man sich doch über den Nachbarn, der einem den Schlüssel aus dem Mund nimmt, um die Tür aufzumachen, den Kollegen, der einen Geistesblitz für einen Lösungsansatz liefert, oder den freundlichen Autofahrer mit Abschleppseil, der zufällig vorbei kommt und dich in die nächste Stadt zieht. Sicherlich hat jeder schon mal die Hilfe von seinen persönlichen Helden bekommen, oder umgekehrt, war bereits der Held. Und sicherlich kann jeder die Freude nachvollziehen, die man dabei empfindet, wenn genau dieser Held „zur Tür rein kommt“.
Wenn wir mit unseren Mopeds auf Tour sind, begegnen wir einer Menge solcher Helden, für deren Erscheinen wir jedes Mal sehr dankbar sind. Aber so viele Helden wie auf dieser Tour hatten wir noch nie. Nicht zu vergessen, dass wir dieses Mal selbst Held sein durften.
Doch um mit der eigentlichen Heldensaga beginnen zu können, muss ich die Uhr ein paar Monate zurück drehen…
Vorbereitung
Es ist irgendein Wintertag zwischen den Jahren 2013 und 2014. Die Drei lustigen Vier versammeln sich zu einem Treffen, um die Planung für das kommende Jahr abzustimmen. Wir wissen schon lange, dass Jonas in diesem Jahr statt dem Transporter lieber eine Schwalbe fahren würde. Er hatte früher mal eine Braune und würde gern wieder so eine fahren. Eine S51 oder ein Roller würden nicht in Frage kommen. Er hatte uns bereits gebeten, eine Schwalbe für ihn zu beschaffen und fertig zu machen, da er nicht so viel Ahnung davon hat. Bei diesem Treffen stellen wir mit Entsetzen fest, dass so viel Zeit gar nicht mehr bis zur Tour bleibt. Die Schwalbe muss noch gesucht, gekauft und fit gemacht werden. Schließlich hat die von Ronny geplante Tour eine Länge von 3000 km. Da die Anderen privat gerade etwas eingeschränkt sind, erkläre ich mich bereit, mich darum zu kümmern.
Nach ewigem Hin und Her, suchen, gucken und finden, verwerfen, abstimmen, wieder suchen…, habe ich mich mit Jonas auf eine silberne Schwalbe geeinigt, bei der ich ein gutes Gefühl habe. Sie steht zufällig in Bielefeld, ist nicht fahrbereit, aber mit originalem Motor. Nicht fahrbereit ist eigentlich kein Problem, dass liegt meist nur an Kleinteilen wie Kerzen, Dichtungen oder Düsen. Also „Probleme“, die durchaus kurzfristig behebbar sind.
Nach einer Terminabsprache lerne ich an einem sonnigen Samstagnachmittag, Mitte Mai unsern ersten Helden kennen. Bernd und seine Familie. Unabhängig von den tollen Benzin-Gesprächen, die wir führen, verkauft er uns eine echt tolle Schwalbe, auch wenn er es nur schwer übers Herz bringen kann.
Jetzt haben wir schon mal ein Mopped. Dadurch dass die Schwalbe nicht läuft, begebe ich mich erst mal auf Fehlersuche. Nach dem ich den Vergaser ausschließen kann, weil ich es mit meinem versucht habe, aber die Schwalbe das gleiche Fehlerbild aufweist (Springt an, wenn sie kalt ist, läuft kurz, zieht nicht hoch und geht auch direkt aus, wenn sie ein bisschen Temperatur bekommen hat), nehme ich das Mopped erst mal auseinander. Ich habe keine Zündung da und werde später ohnehin eine Neue einbauen. Also erstmal ans Werk.
Nach der Sichtung der einzelnen Komponenten ist klar, es ist nicht wirklich viel zu erledigen, da die Kleine gut ist Schuss ist. Das einzige, was mir noch ein bisschen Bauchschmerzen bereitet, ist der angefressene Halbmond, der nicht raus will. Nach einigen Selbstversuchen den Halbmond zu entfernen, rufe ich Siggi -ich nenne Ihn „mein Motorradmann“- an. Vielleicht kann er sich die Sache mal angucken. Zumal er auch mehr Werkzeug und mehr Möglichkeiten in seiner Werkstatt hat, als ich.
Ein paar Tage später mache ich mich mit meinem gelben Blitz auf den Weg nach Brockhagen. Hier geht es direkt ans Werk. Doch eine gute Viertelstunde später haben wir immer noch nichts erreicht. Nun kann man auch nicht wer weiß wie heftig auf einer Kurbelwelle herum hämmern, sonst verlässt sie einen unter Volllast komplett. Von daher haben wir die Hoffnung schon aufgegeben und ich habe mich bereits damit abgefunden, den Motor spalten zu müssen, und eine neue Kurbelwelle einzubauen.
Siggi meint: „…jetzt ist es eh egal. Entweder wir bekommen ihn raus, oder du musst die Kurbelwelle sowieso wegwerfen.“ Welch weise Worte. Und als hätte die Kurbelwelle diese Drohung verstanden, gibt sie den Halbmond nach einem leichten Schlag frei. „Jetzt hat die Sau verschissen“, sind Siggis freudige Worte. Noch zwei drei leichte Schläge mit Dorn und Hammer und wir haben Ihn raus. Noch ein bisschen den Flug-Rost entfernen und es kann losgehen. Vielen Dank auch an unseren Helden Nummer zwei. Das hat mir sicher drei Stunden Arbeit und Jonas gute 80€ gespart.
Im Grunde könnte ich Siggi gleich zwei Mal danken, aber dazu später mehr.
Nach dem alle fehlenden Ersatzteile angekommen sind, kann ich Jonas‘ Schwalbe und auch mein Moped reisefertig machen. Die Bastelei beschäftigt mich noch gut eine Woche, abends nach der Arbeit, aber es geht im Grunde alles reibungslos. Nach dem ich alles zusammen gebaut habe, fahre ich die beiden Ladys nacheinander ein bisschen aus um zu schauen, ob soweit alles läuft. Doch bei den ausgedehnten Stadtrunden durch Bielefeld fällt weiterhin nichts Negatives auf. Eher im Gegenteil, die Schwalbe kommt sogar locker zu zweit den Bielefelder Berg hoch. Das lässt mich frohen Mutes aufatmen, so kurz vor der Tour.
TAG 00
Es ist so weit und der Tag der Abreise vor der eigentlichen Abreise ist da. Ich sitz nach der Arbeit zu Hause, habe alles für die Tour gepackt und vorbereitet. Jonas müsste bald eintreffen. Er reist aus Heidelberg an, um mit Jan und mir von Bielefeld aus nach Ballenstedt, unserem Heimatort zu fahren. Ungefähr 18:00 Uhr trudelt er langsam ein. Aufgeregt wie ein kleines Kind vorm Christbaum, kann er es gar nicht erwarten, endlich loszufahren. Doch da wir noch auf Jan warten müssen, bis auch er von der Arbeit nach Hause kommt, nutzen wir die Zeit, alles richtig zu verpacken. Und weil es ist, wie es ist und man immer was vergessen hat, fahren wir noch einmal zu einem Motorradklamottenausstatter, um für Jonas noch ein Halstuch zu besorgen. Direkt im Anschluss geht es dann auch schon zu Jan, der zwischenzeitlich auch eingetroffen ist. Gegen 19:00 Uhr treffen wir bei ihm ein, plaudern nicht lange über Sinnlosigkeiten, sondern packen seine Sachen und machen uns auf zur Tanke. Die Böcke noch mal voll machen, bevor es losgeht nach Ballenstedt.
Wir verlassen Bielefeld östlich und tauchen ein in das wunderschöne Lipperland. Unsere ersten Kilometer kommen wir sehr gut voran. Wir haben Glück mit dem Verkehr und Pannen. Aussetzer hatten wir bis jetzt auch keine. Nach gut einer Stunde Fahrt haben wir etwas mehr als 50 km geschafft und befinden uns gerade hinter Steinheim, als Jan auffällt, dass Jonas Kennzeichen locker geworden ist. Also halten wir kurz an, ziehen die Schrauben fest, treten alle nochmal aus, und machen uns direkt weiter. Nur langsam bemerken wir, dass wir doch echt Hunger bekommen und versuchen innerhalb der nächsten Kilometer einen Imbiss, oder kleine Kneipe zu finden. In Albaxen ist eine Schenke ausgeschildert. Wir müssen ein paar verwinkelte Gassen fahren, aber haben diese dann auch gefunden. Es ist nur ein kleines Sporthaus. Hier sagt man uns, dass wir nichts zu essen bekommen können, da diese Kneipe keine Genehmigung dafür hat. Naja, wir haben ja zum Glück noch ein paar Äpfel dabei. Aber Jan hat echt Hunger, und uns war bereits klar, dass der Apfel nur ein Lückenfüller ist. Nur 10 km weiter kommen wir durch Bevern. Hier finden wir einen Rewe, der geöffnet hat und unseren Hunger mit seinen Köstlichkeiten vorerst stillen kann. Naja, es ist zwar keine Currywurst, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.
Keine 20 km weiter kommt bereits die nächste Hürde. Eine Vollsperrung kurz vor Einbeck. Ist ja alles kein Problem, wenn man mal die Straße zu macht, aber eine Umgehung anzuzeigen wäre schön gewesen. Zum Glück haben wir ein Navi dabei, das mitdenken kann und so kommen wir über einen Feldweg verhältnismäßig schnell wieder aus dieser Lage heraus. Die nächsten 40 km verlaufen hingegen sehr ruhig. Zu Ruhig… Viele bezeichnen es auch als die Ruhe vor dem Sturm. Denn kurz vor Osterode am Harz geht auf einmal Jonas‘ Schwalbe aus. Beim Versuch sie wieder an zu kicken hakt etwas und macht komische Geräusche. Es war so ein Kraspeln, halt Metall auf Metall. Ich hatte Bedenken, dass vielleicht der gut 20 Jahre alte Originalkolben den Geist aufgegeben hatte. Wäre doof. Zumal man auch nicht weiß, wie sieht dann das Kurbelgehäuse und entsprechenden Komponenten aus?!
Also schieben wir das Moped erst mal von der Straße, in einen kleinen Feldweg. Nachdem der Zylinder ab war, können wir nichts Verdächtiges erkennen. Die Geräusche beim Kicken sind zum Teil weg, oder zumindest weniger geworden. Wir befestigen den Zylinder wieder um weiter zu suchen. Kaum ist er drauf, ist alles so wie vorher. Da fiel mir plötzlich wieder die Kurbelwelle ein, auf der Siggi und ich so „herumgeschlagen“ haben. Vor meinem Inneren Auge ist die Tour für Jonas schon gelaufen. Wo sollen wir jetzt noch eine Kurbelwelle und die Zeit sie zu wechseln herbekommen? Scheiße! Bitte sei nicht abgerissen! Nachdem wir den Motorseitendeckle runter haben sehen wir was los ist. Die Mutter von der Schwungmasse liegt lose im Deckel und die Selbige hängt am vorderen Rand der Kurbelwelle. Nachdem ich das sah, wird mir klar, dass ich die Schwungmasse beim Wiedereinbau nicht richtig festgezogen habe. MIST! Ist für mich auch das erste Mal, dass das passiert und ich möchte mich auch dafür entschuldigen. Das doofe daran war allerdings, dass sich der Halbmond zweigeteilt hat, die eine Hälfte in der Schwungmasse stecke und die andere in der Kurbelwelle. Aber Siggi sei Dank, er hat den Grat und Flugrost gut entfernt, sodass sich der Halbmondrest butterweich aus der Kurbelwelle entfernen lässt.
Hier auch nochmal vielen Dank an Siggi und seine Fachmännische Arbeit!
Die andere Hälfte aus der Schwungmasse zu bekommen erweist sich ebenfalls als einfach. Wie gut, dass ich zwei Ersatzhalbmonde bestellt habe. So können wir einfach einen neuen einsetzen und nach einer guten Stunde weiter fahren. Für genau zwei Minuten.
Wir schicken Jonas vor, als erster zu fahren, um eventuelle Reparaturnachwehen schnell zu bemerken und zu beheben. Das ist immer doof, wenn man hinten fährt und es passiert etwas. Bevor alle wieder da sind vergeht dann etwas Zeit.
Gefühlte 100 Meter nach der letzten Panne kommt Jonas nur mühsam voran. Wild gestikulierend zeigt er auf seinen linken Fuß. Er fährt ran und ich frage ihn was los ist?! Er sagt, dass er seine Gänge nicht rein bekommt. Ich denke mir, da der Motor lange nicht benutz wurde, haben sich vielleicht ein paar Teile durch die Vibrationen verstellt?! So machen wir uns also an die Arbeit die Gänge einzustellen. Nach einer guten halben Stunde, in der wir noch immer keinen Gang gefunden haben, beschließen wir uns die Schaltwalze anzusehen und den dazugehörigen Sprengring. Also lassen wir das Öl ab, nehmen den Kupplungsseitendeckel vom Motor ab und sehen, was zu erwarten war. Der Sprengring von der Schaltwalze hatte sich gelöst. Dank meiner Getriebe-Eskapaden in Frankreich habe ich immer ein, zwei solcher Sprengringe dabei. Diesen zu wechseln stellt also kein Problem dar. Leider habe ich keinen neuen dabei, aber das ist erst mal besser als nicht. Also Klappe zu Affe tot, wir können weiter fahren. Aber erst die Proberunde. Nach ein paar Minuten kommt Jonas wieder und sagt uns, dass sich die Gänge immer noch nicht schalten lassen. Gut, wahrscheinlich haben wir Sie verstellt, durch die Einstellungsversuche im Vorfeld. Alles wieder auf Null und ab geht‘s. Nee, so einfach sollte
Später sollte sich herausstellen, dass sich diese Investition gelohnt hat. Denn das war das letzte Mal, dass wir negatives von der Schwalbe gehört haben.
Gegen 01:00 Uhr können wir dann endlich weiter und erreichen auch in Kürze Osterode. Ab hier beginnt der Harz, ziemlich heftig. Enge, kurvige Serpentinen in stockfinsterer Nacht und Anstiege, die uns zum Teil bis in den ersten Gang zwingen. Die nächsten 40 km bis nach Braunlage definieren sich genau so. Dann geht es relativ gemäßigt durch den uns bekannten Harz. Zwar wird es uns an der einen oder anderen Stelle etwas mulmig, wenn auf einmal mannsgroße Hirsch neben der Straße stehen, aber wir geben einfach Gas und sind Weg. Dennoch müssen wir auch nach sieben Stunden Fahrt noch wachsam sein, denn über all funkeln die Augen von Tieren im Gebüsch und einen Wildunfall müssen wir heute nicht mehr provozieren.
Für eine letzte Zigaretten- und Benzinnachfüllpause halten wir gegen halb drei noch einmal kurz in Allrode an. Jan benötigt frischen Oktansaft. Er hat halt das Handicap, dass sein Tank etwas kleiner ist als der von uns anderen. Aber was soll‘s. Wir haben ja zum Glück einen Kanister Fertiggemischtes dabei. Also schnell, wir wollen ankommen!
Die letzte halbe Stunde vergeht schnell, da man die Ortschaften kennt. Man fährt nicht mehr so ins Blaue hinein. Aber gegen 03:00 Uhr sind wir dann doch froh, endlich da zu sein!
So jetzt schnell alles abgepackt und ins Bett gelegt! Morgen müssen wir fit sein, denn dann geht die Tour Los!
TAG 01
Heute geht es endlich los!
…aber vorher noch die üblichen Vorbereitungen.
Jeder von uns hat noch ein paar kleine Restarbeiten an seinem Moped vorzunehmen, dass ist immer so. Ein letztes Mal das Kerzenbild prüfen, den Luftdruck und das Gepäck. Bei Jonas wechseln wir sicherheitshalber nochmal den Sprengring der Schaltwalze und ersetzen ihn durch einen neuen. Das bewahrt zwar in der Regel nicht vor Schlimmeren, minimiert aber das Risiko. Wir Versuchen halt immer möglichst Fehler zu vermeiden, bevor sie auftreten. Ganz im Gegensatz zu Marcel, dessen Moped (die Ratte, oder auch Schrotti) nicht richtig läuft, er aber meint, dass er die Macken seines Mopeds während der Tour beheben will. Diese Aussage lässt mich kurz an Schottland denken, als wir seine defekte Kupplung dann reparieren durften, als es regnete und nicht in meiner Garage in Bielefeld. Aber naja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Weiterhin muss auch noch der Bulli, unser Begleitfahrzeug, beklebt werden. Wie immer mit unserem Logo und der Karte mit unserer geplanten Route drauf. Das erleichtert die Kommunikation in Ländern, deren Sprache wir nicht mächtig sind. Nachdem alle ihre Mängel behoben haben und das Werkzeug sowie das gesamte Gepäck verstaut ist, essen wir noch ne Butterstulle, trinken noch nen Kaffee und machen uns auf zum ersten gemeinsamen jährlichen Gruppenfoto. Es ist 18:00 Uhr, als es losgeht und ich persönlich spüre eine Mischung aus aufgeregt sein und Respekt vor der ersten Etappe, die 600 km beinhaltet.
Auf Los geht es los! Wir drehen hupend noch mal unsere Abschiedsstadtrunde und fahren winkend an unseren Familien vorbei. Anschließend verlassen wir Ballenstedt in Richtung Osten, nach Aschersleben. Mal sehen, wie weit wir kommen. Im letzten Jahr hat Marcel es noch nicht mal die 20 km bis dorthin geschafft. Aber dieses Mal ist alles anders. Er hat es bis hinter Aschersleben geschafft. Immerhin! Aber zu seiner Entlastung muss ich sagen, dass sein Mopped nur mal kurz rumgemuckert hat. Zwei Minuten abkühlen, anschieben und sie läuft wieder. Durch Staßfurt durch machen wir nach ca. 50 km unsere erste kurze Pinkelpause. Ronny beklagt sich, dass sich seine Kupplung schwer ziehen lässt. Nach der Prüfung des Bowdenzugs stellen wir fest, dass dieser nur noch am seidenen Faden hängt und wir beschließen, ihn zu wechseln. Die gesamte Pause dauert etwa eine halbe Stunde. Kurz danach gibt es direkt die nächste Pause an einer Bahnschranke. Nach etwa 20 km erreichen wir die Elbfähre in Barby.
Unser Navi hat es gut gemeint und wollte uns eine Mischung aus dem Kürzesten und landschaftlichen schönsten Stecken zusammenstellen. Ist ja auch ne coole Idee, aber vielleicht sollten die Navigationssoftwarehersteller mal die Öffnungszeiten und nicht nur die Adressen solcher Betriebe hinterlegen.
Es ist 20:30 Uhr, aber wir haben Pech. Die Öffnungszeiten des Betriebes enden bereits 20:00 Uhr. Schade, heute also keine Fähre und so kehren wir um und suchen (lassen suchen) die nächstgelegene Brücke. Diese erreichen wir eine Viertelstunde später in Schönebeck.
Kurz hinter Gommern halten wir an, um uns die Regenkombis anzuziehen, da uns eine große Regenfront entgegen kommt. Diese lässt auch nicht lange auf sich warten, denn als wir unsere Sachen gerade anhaben, kommt ein ordentlicher Regenguss runter. Was soll‘s Helm auf und durch! Nach 40 km halten wir an einer Tankstelle bei Ziesar an der A2 an. Hier machen wir die Mopeds nochmal voll, essen eine Kleinigkeit, und hauen uns die Taschen mit Energiedrinks voll, bevor es in die Nachtfahrt geht. Gegen 23:00 Uhr verlassen wir die Tanke und machen uns auf den Weg.
Wir haben gemeinschaftlich ganz klar beschlossen, dass wir Berlin raus lassen wollen, weil große Städte nicht gerade förderlich sind, wenn man ein paar Meter machen möchte. Von daher entscheiden wir uns für eine Nördliche Umrundung Berlins. Dennoch führt uns unser Weg bis ganz kurz davor. In Werder, kurz vor Potsdam machen wir eine Bushaltestellen-, Raucher-, Erholungspause. Dabei beschließen Ronny und ich kurzerhand, dass wir Berlin doch mitnehmen sollten. Wie viel Verkehr kann nachts schon sein? Und außerdem spart es uns fast 50 km Strecke. Zudem würden wir es echt schade finden, an unserer Hauptstadt nur vorbeigefahren zu sein. Ich wollte immer schon mal mit dem Mopped zum Brandenburger Tor fahren.
Und was haben wir ein Glück! Die Straßen sind so was von frei. Konnte man morgens halb zwei in Deutschland aber auch erwarten, schließlich war heute ein ganz normaler Werktag. Am Brandenburger Tor angekommen, stellen wir uns erst mal für ein Foto auf, soll ja auch gut aussehen, trotz Polizei und Security. Aber die Kollegen haben sicher gesehen, dass wir in friedlicher Absicht hier sind. Und so nutzt Patrick die Zeit und das Licht um seine Kette zu straffen.
Eine Stunde, ein paar Zigaretten und Energiedrinks später, machen wir uns wieder auf die Socken. Kurz nach Berlin haben wir erneut die Tanks gefüllt, bevor es dann weiter ging. Wir haben es bereits 03:00 Uhr in der Nacht und wollten bis zum nächsten Abend noch 420 km machen.
TAG 02
Von Berlin aus kommen wir gut voran, obwohl uns die Nacht kalt, nass und lang vorkommt. Zudem macht sich auch eine allgemeine Müdigkeit breit. Schwierig, da das nicht gerade frei von Gefahr ist. Nach ca. 50 km machen wir wieder eine Pause an einer Tankstelle in Eberswalde. Diese Pause ist wichtig, da sich die Müdigkeit mehr und mehr breit macht. Unser Vorteil ist nun, dass es so langsam aber sicher wieder hell wird. Tageslicht ist gut im Kampf gegen die Müdigkeit.
Aber nach ca. 60 km ging es einfach nicht mehr. Wir müssen eine Powernapping-Pause machen. An einem Acker, ungefähr 60 km vor der deutsch-polnischen Grenze stellen wir die Motoren ab, so dass sich ein paar von uns hinlegen können. Ich denke mir, dass sich hinzulegen, wenn man noch wach ist, das Ganze noch schlimmer macht und bleibe mit Marcel, Ronny, Patrick, Arndt, und Jonas wach. In der Zeit schauen wir uns noch einmal die Beschaffenheit der Mopeds an. Nach fast zwei Stunden machen wir uns wieder auf den Weg. Nach ungefähr 30 Kilometern halten wir kurz an, um unsere Telefone auf den Auslandmodus zu stellen. Jan und Arndt bemerken, dass Jan seine Hinterradbremse sich während der Fahrt stark erhitzt hat. Wir wollten uns die Sache einmal ansehen. Konnten aber auf den ersten Blick nichts an dem Roller finden. Die Bremse bewegte sich frei in der Trommel. Patrick meint, dass wir uns mal die Radlager ansehen sollten. Und da ist der Übeltäter. Diese sind nämlich fies fest. Also nochmal die Handys auf Deutschlandmodus, und im Netz recherchieren, wo es einen Mopedhändler gibt, der eventuell diese Standardlager verkauft.
In diesem Moment kommt ein Bulli an der Landstraße in der Gemeinde Neurochlitz vorbei. Die freundlichen Kollegen sind anscheinend gerade auf dem Weg zur Arbeit. Wir fragen sie, ob sie vielleicht wissen, wo wir Hilfe bekommen könnten, und schildern unser Problem. Sie Fragen nur, ob es um DIESEN Roller geht und nach der Bestätigung der Frage, sagen sie nur, dass wir kurz warten sollen. Sie fahren also in die Richtung zurück, aus der sie gekommen sind und wir warten.
Fünfzehn Minuten später kommen sie wieder und geben uns zwei Rollerreifen in die Hand, deren Lager sich noch drehen. Wir können die Lager also ausbauen und somit unsere Reise fortsetzen.
Da waren Sie also unsere Freundlichen Helfer in der Not Nummer drei. Vielen vielen Dank für diese Hilfe!!!
Wer sich jetzt fragt, warum wir die ganzen Reifen, trotz des Angebotes nicht eingebaut haben, war der Grund, dass die Profile zu alt waren. Und Lager wechseln geht schneller.
So was fällt ganz klar unter die Kategorie „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“! Denn der nächste Händler wäre ca. 30 km in die falsche Richtung gewesen. Aber so können wir unseren Weg nach Polen fortsetzten und nach weiteren 30 km die Grenze überqueren.
In Polen ist anscheinend nicht das was wir als Autobahn bezeichnen, eine Autobahn. So kommt es, dass wir unmittelbar nach der Grenzüberquerung auf eine vielbefahrene zweispurige, autobahnähnliche Straße kommen, die für uns Mopedreisende einfach saugefährlich ist. Das Problem ist, dass es keine wirklichen Ausweichmöglichkeiten zu dieser Straße gibt. Da wir an der Situation nicht viel ändern können, stärken wir uns mit einem ordentlichen Kaffee und machen uns bald wieder auf den Weg. So langsam dringt trotz aller Aufputschmittel die Müdigkeit bei allen durch, die sich heute früh nicht eine Stunde aufs Ohr gehauen haben.
Aufgrund der Straßenführung und der Nutzung von zwei Navigationsgeräten kommt es dazu, dass wir eine Ausfahrt verpassen und uns gute 20 km verfahren. Das ist zwar doof und strengt auch besonders an, wenn man müde ist, aber was soll’s – Augen zu und durch.
Nach gut 70 km erdrückender Fahrt machen wir nochmal eine etwas länger Pause von etwa 40 min. Wir haben nun seit Ballenstedt etwa 500 km gemacht. Leider müssen wir diverse Umwege berechnen, die da mit reinzählen. Von daher haben wir noch etwa 150 km vor uns. Die nächsten 40 km sind die heftigsten die ich bisher gefahren bin und auch die gefährlichsten. Von Schrecksekunden bis Halluzinationen, ist schon eine breite Palette dabei.
Ich bin an dieser Stelle auch nicht besonders stolz darauf, und rate jedem davon ab. Stellt die Moppeds ab, und macht Pause. Leben ist wichtiger als Kilometer!
Daher beschließen wir kurz vor Kolberg, als wir die Mopeds auftanken, uns einen Zeltplatz zu suchen und die letzten 100 km in den kommenden Tagen irgendwie aufzuholen. Die letzten 14 km bis zum Zeltplatz sind OK, aber ich muss keinen Kilometer mehr weiter fahren. Denn auch wenn wir 600 km Strecke machen wollten, sind wir in den letzten 24 Stunden 570 km gefahren und haben dabei fast 80 km Rückstand. Aber was soll‘s.
Jetzt heißt es erst mal einchecken und die Zelte aufbauen. Sicherlich reicht die Kraft auch noch dafür, einmal in die Ostsee zu springen. Also machen sich Jonas, Jan, Matze, Patrick, Marcel, Ronny und ich uns auf den Weg zum Stand. Ben und Arndt wollen lieber die Zeit nutzen und sich ein bisschen Frisch machen und später nachkommen. Wir müssen auch aus taktischen Gründen noch etwas Zeit brücken, weil es erst 16:00 Uhr ist und wir unseren Rhythmus nicht völlig aus der Bahn bringen wollen.
Abends gibt es dann noch ein paar Bierchen und Stulle mit Lecker Wurst von der Fleischerei Münch aus Bad Suderode. Hhhhhmmm Lecker!
TAG 03
100 km im Minus, frühe Bettruhe. Ganz klar, wir stehen früh auf! Halb sechs hieß es raus aus den Federn. Jeder hat seine Aufgabe, alle Handgriffe sitzen. Der Erste der aufsteht, kocht Kaffee und bereitet das Frühstück für alle vor. Jeweils einer aus jedem Zelt ist für das Packen des Selbigen verantwortlich. Einer guckt bereits nach der Route für den heutigen Tag und welche Zwischenziele erreicht werden wollen. Durch diese gute Organisation schaffen wir es vom ersten Erwachen, bis zum letzten Packstück und der Abfahrt in einer Stunde mit allem durch zu sein. Klar könnten wir schneller sein, aber wir wollen gut Frühstücken, um uns eventuell eine Pause zu sparen, die verkehrsberuhigte Zeit auszunutzen und die 100 km wieder einzuholen. So verlassen wir Sianożęty gegen 06:30 Uhr in Richtung Marienburg.
Der Morgen beginnt herrlich. Es ist zwar kühl, aber die leicht durch die Wolken blinzelnde, noch tiefstehende Sonne wärmt uns bereits auf. Um landschaftlich noch ein paar Highlights zu erleben, hat Ronny unserer Route an der Küste entlang geplant, und nicht im Inland. Dadurch befahren wir ein paar schöne Ackerstraßen. Eine davon ist so zugewachsen, dass wir, einer nach dem anderen, kurzer Hand rechts auf den Stoppelacker fahren. Super lustige Sache! Kann ich jedem empfehlen, macht wirklich Spaß. Die Landschaft und das immer mal wieder hervorblitzende Meer lassen uns frohen Mutes in den heutigen Tag fahren, auch wenn die Sonne mittlerweile hinter den Wolken verschwunden ist. Nach ca. 50 km zwingt uns die Straßenführung vom Meer weg, wieder ein paar Kilometer ins Landesinnere. Hier nutzen wir die Gelegenheit an einer kleinen Einfahrt, um uns mal wieder die Beine zu vertreten. Dabei zieht sich der Himmel doch arg zu und als wir eigentlich schon losfahren wollen, entschließen wir uns dazu, die Regenkombis anzuziehen. Nach der gestrigen verregneten Nacht haben wir echt keinen Bock mehr auf Wasser. Aber was will man machen?! Durch das schlechte Wetter machen wir nur wenige Pausen. Hinzu kommt, dass man bei Regen nur funktioniert. Man fährt und fährt und fährt. Die landschaftlichen und zwischenmenschlichen Aspekte rücken akut in den Hintergrund. Es ist ja nun auch nicht alles Gold, was glänzt und man muss auch an dieser Stelle mal sagen, dass dieser Tag ab hier echt scheiße ist. Die Moral der Gruppe ist im eisigen Minusbereich und die Laune eines jeden auch. So haben wir uns das echt nicht vorgestellt.
Auf jeden fall machen wir auf den nächsten 80 km nur eine 30 min Pause. Diese – wir sind jetzt lange gefahren, aber es reicht noch nicht für eine längere Mittagspause, 10 min sind auch zu kurz, dann will ich wenigstens nen Keks essen – Pause. Nach insgesamt 114 km Gesamtstecke machen wir in Słupsk Halt um ein paar Einkäufe zu erledigen. Fünfundvierzig Minuten verbringen Patrick, Marcel, Ben und ich auf einem Parkplatz im Regen wartend, bis Jan, Arnd, Jonas, Ronny und Matze vom einkaufen zurückkommen. Nachdem wir etwas gegessen haben verlassen wir diesen trostlosen Parkplatz nach anderthalb Stunden wieder.
Wir verlassen Słupsk nördlich, um an der Küste entlang zu fahren und die schöne Landschaft zu genießen. Nach 10 km lockert sich der Auspuff von Ben, der die ganze Zeit immer wieder festgezogen werden musste. Zusammen mit Arndt und Jonas wird das Problem kurzfristig behoben, indem sie Aluminium-Klebeband um die Überwurfmutter kleben. In der Zwischenzeit überlegt Ronny sich, total angenervt vom Wetter, ob es überhaupt Sinn macht, uns der Landschaft wegen den Umweg die Küste entlang zu fahren. Zwar müssten wir dadurch auf die Wanderdüne in Łeba verzichten, aber dann am schlechten Tag lieber Stecke machen und die Landschaft dann genießen, wenn das Wetter schön ist, dachte er sich und gaben im Navi direkt Marienburg ein.
So kehren wir also um. Erreichen Słupsk nördlich, um es südlich wieder zu verlassen. Nach weiteren 60 km tanken wir in Bytów unsere Mopeds wieder voll. Wir haben einen echt miserablen Schnitt von 24 km/h bis hier her zurückgelegt und kommen gefühlt einfach nicht voran. Als wir die Tankstelle verlassen ist es bereits 15:00 Uhr und wir wollen noch etwa 200 km fahren. Aber die nächste halbe Stunde Zwangspause haben wir nur 26 km später. Mein Moped stottert rum und ich denke, dass ich durch den vielen Regen Wasser im Vergaser habe. Deshalb muss ich ihn zerlegen. Anschließend den „Gaser“ wieder zusammen geschraubt und weiter geht es. Aber das Stottern und der heftige Leistungsabfall bei weit geöffnetem Schieber ist immer noch da. Ich weiß nicht warum, aber mir ist danach den Luftfilter abzuziehen und siehe da, sie summt wieder. Komisch, aber bleibt erst mal so!
Weil Patricks Kette die ganze Zeit schon Probleme macht, halten wir noch zwei weitere Male an. Natürlich ist die Kette völlig frei von Fett. Wie es immer ist, haben wir natürlich auch keins dabei. Aber nachdem wir an einer Werkstatt fragen, bekommen wir auch von diesen freundlichen Helfern unser Fett weg.
Vielen Dank noch mal unbekannterweise, an die Kollegen aus der Werkstatt!
Dann endlich, nach 310 km gefahrener Strecke erreichen wir Marienburg gegen 19:00 Uhr. Dieser riesige Backsteinbau ist echt atemberaubend. Nachdem wir die Mopeds abgestellt haben, machen wir uns auf den Weg über die Weichsel-Brücke, um uns die Burg anzusehen. Wir würden uns das Gebäude gern von innen ansehen, aber leider gibt es um diese Uhrzeit nur noch Hofbesichtigungen, die uns vielleicht 100 Meter näher an das Objekt heran lassen. Also machen wir unseren eigenen Rundgang um das Gelände, um uns die Burg von allen Seiten anzusehen. Anschließend gehen wir in aller Ruhe wieder zu den Mopeds und satteln nach einer Stunde Aufenthalt erneut auf.
Durch die dicke Wolkendecke fängt es zeitig an zu dämmern, gegen neun Uhr ist es schon fast dunkel. Zwielichtig, diese Dämmerung, die dich auf der regennassen Fahrbahn nicht viel erkennen lasst, und die Lampe an deinem Fahrzeug noch nicht genügend Licht abgibt, dass sie etwas Licht ins Dunkel bringt. Als wir dann auch noch die Hauptstraße verlassen und auf grob gepflasterten Straßen durch die Hinterland-Alleen Polens fahren, merke ich wie sich meine Fußraste lockert. Verdammt! Bei genauerer Bertachtung stelle ich fest, dass es die Schweißnaht der Raste ist. Verdammt, verdammt! Ich versuche den Fuß nur leicht aufzulegen. Ich schalte mit in der Luft gehaltenen Fuß die Gänge durch, gehe jede Vorsichtsmaßnahme ein, um nicht ganz auf die Fußraste zu verzichten.
Hinzu kommt, dass wir immer noch nicht wissen, was wir jetzt machen sollen. Wir wissen, dass wir bereits in die Nacht fahren, das heißt, dass es unglaublich schwer wird eine Schlafmöglichkeit zu finden. Außerdem kommt dazu, dass wir uns mitten in der Pampa befinden. Alle zwei Kilometer kommen ein paar Häuser, sonst nichts. Ob Wildcampen in Polen erlaubt ist, wissen wir nicht. Und wieder eine Nacht durch fahren, will so richtig auch keiner, zumal es immer noch kalt, nass und ungemütlich ist.
Und als wir so durch die „polnische Walachei“ fahren, taucht plötzlich eine kleine, regennasse, sichtlich glatte Holzbrücke vor mir auf. Ich sehe sie als erstes, da ich navigationsbedingt vorn fahre. Die Brücke hat einen leichten Anstieg, bevor sie gerade über den Fluss führt. Gerade als ich sie auf der anderen Seite wieder herunter fahren will, sehe ich linkseitig vor mir ein Auto stehen. Da ich nicht weiß, ob mich der Fahrer registriert hat, bremse ich leicht. Fehler. Ich rutsche mit dem Hinterrad weg, lege das Moped auf die rechte Seite und rutsche dann noch leicht gegen die erhöhte Begrenzung der Brücke auf der rechten Seite. Scheiße denke ich! Zum einen weil ich immer noch hoffe, dass mir von den anderen keiner rein fährt. Zum andern, weil es mitten in der Nacht ist und die Karre vielleicht repariert werden muss.
Nach dem sich alle gesammelt haben und ich mein Moped von der Brücke in eine kleine Einfahrt an der Straße geschoben habe, gibt es erst mal eine Leibesvisite. Alle Finger und Gliedmaßen sind noch dran. Schmerzen werden gerade noch nicht verzeichnet. Widmen wir uns also dem Moped. Bis auf die Fußraste, die nun komplett ab ist, ist weiter nichts zu erkennen. Die Gepäcktaschen scheinen das Meiste abgefangen zu haben.
Wir diskutieren zwar über eine Weiterfahrt, aber aufgrund der äußeren Umstände habe ich echt keinen Bock mich mehr vom Fleck zu bewegen. Ich gehe also auf den Besitzer des Hauses auf der anderen Straßenseite zu, der durch den Krach bereits am Zaun stand, um sich das Spektakel anzusehen und fragte ihn, ob er nicht zufällig jemanden kennen würde, der Schweißen kann. Er fragte, was den zu reparieren sein und ich zeigte ihm den Schaden. Nach der Begutachtung der Fußraste sagte er, ich solle das Moped reinschieben. Er ging schon mal vor, während ich das Gepäck abschnalle. Als ich mein Moped bei ihm auf den Hof schiebe, kommt er mir entgegen. Ich stellte mich vor. Er erwidert und sagt er heißt Adam.
Mein Retter in der Not und einer unserer Heden dieser Tour hat zufällig ein Schweißgerät. Sein Schwiegervater würde mir die Fußraste wieder anschweißen. Super! Ich gehe schnell zu Jan und sage, dass er schon mal ein paar Bier als Dankeschön holen soll. Für die Schweißarbeiten, lehnen wir das Moped zu Seite, damit Adam besser sehen kann. Nur leider haben wir vergessen den Benzinhahn zuzumachen. Also passiert, was passieren muss. Beim Setzen des ersten Scheißpunktes fliegt ein Funke in Richtung Vergaser und das Moped fängt Feuer. Als ich gerade in eine Schockstarre verfalle, sehe ich mich den Rest der Tour im Bulli sitzen und die Überreste meines Mopeds bleiben in Polen einfach stehen. Aber nein, geistesgegenwertig schüttelt Jan sein Bier auf die Flammen, was den „Brand“ etwas eindämmt. In der Zwischenzeit hat Adam bereits einen großen Eimer Wasser geholt, und schüttet ihn darüber. Aber so richtig scheint es nicht zu helfen. Als mich wieder aus meiner Schrecksekunde erwache, bemerke ich, dass durch die fortwährende Schräglage das Moped immer noch Benzin aus dem Vergaserüberlauf verliert. Ich rufe zu Ben, dass er das Moped gerade hinstellen soll. In dem Moment kommt Adam mir dem zweiten Eimer Wasser und das Feuer ist aus. Puhhhhhhhhh….
Erneute Schadensvisite. NICHTS!!!! Noch nicht mal eine verkohlte oder schwarze Stelle. Wir atmen alle erst mal auf. Rauchen eine und sind uns einig, dass wir die Fußraste ausbauen und am Schaubstock schweißen. Nach einer guten Viertelstunde ist auch das erledigt.
Da wir jetzt immer noch nicht wissen, wie es weiter gehen soll und durch die weitere Stunde Verlust nun wirklich keiner mehr Lust hat weiter zu fahren, fragt Jonas Adam, ob wir vielleicht auf seinem Grundstück die Zelte aufbauen dürfen. Er zeigt uns eine Wiese auf seinem Hof und sagt, dass es da kein Problem sei. Wir packen alles was noch vom Sturz auf der Straße liegt zusammen und bauen die Zelte auf. Anschließend laden wir unseren freundlichen Gastgeber noch auf einen Schnaps ein. Er erwidert das Ganze mit einem echt leckeren Russischen Wodka. Eine ganze Weile sitzen wir noch zusammen und reden über alles Mögliche. Als wir uns dann auf den Weg zu den Zelten machen sagt Marcel: „Besser hättest du nicht fallen können. Deine Fußraste ist gleich geschweißt und wir haben eine super Schlafmöglichkeit.“ Ich guck ihn an und denke mir – ja, gut gefallen.
TAG 04
Ein neuer Tag beginnt. Wir stehen um halb sieben auf, machen uns ein wenig frisch, trinken einen leckeren Kaffee und packen alles in Ruhe zusammen. Wir sind äußerst leise um Adam und seine Familie nicht zu wecken. So kommen wir gegen halb acht wieder auf die Straße.
Die Luft ist noch kalt, aber das ist gar nicht so schlimm, denn es regnet nicht. Die Straßen sind zumeist trocken und es geht gut voran. Nach ein paar Kilometern ist entsprechend meiner gestrigen Feuershow mein Tank leer. Glücklicher weise haben wir noch etwas in unserem Kanister und wir können zügig weiter fahren. Nach etwa 20 km kommen wir bei Pasłęk auch endlich wieder auf eine Hauptstraße und können wieder richtig Gas geben.
Nach etwa 70 km machen wir unsere Frühstückspause und füllen alle Tanks mit Benzin aus dem Kanister auf. Denn der ein oder andere musste bereits auf Reserve schalten. Ein gutes Stündchen vergeht und nach einem reichhaltigen Frühstück machen wir uns wieder auf den Weg. Nächstes Ziel Tankstelle. Diese erreichen wir auch nach insgesamt 150 km Strecke gegen 12:30 Uhr. Hier in Kętrzyn beschließen wir direkt auch Mittag zu machen und essen den Rest unserer Reserven. Währenddessen kommen wir mit ein paar einheimischen ins Gespräch und klären Fragen über das Ziel unserer Reise und unsere Herkunft. Hier beschließen Ronny und Jonas die Endschalldämpfer aus ihren Auspuffen herauszubauen, mit der Begründung, dass die Polizei hier doch gar nicht wissen kann, wie sich die Mopeds anhören müssen.
Ab hier kommen wir trotz kleinerer Pausen sehr gut voran und erreichen nach fast 190 km Giżycko gegen 14:30 Uhr. Nun lockert sich das Wetter auf und ab uns zu ist die Sonne auch mal zu sehen. Wir fahren weiter und verlassen die Hauptstraße kurz nach der Stadt. Wir kommen auf kleinere Straßen, die gut geteert sind und Kurven bieten, die die Fahrt nicht langweilig werden lasse. Landschaftliche merkt man, dass wir den Masuren näher kommen. Es wird zunehmend kurvenreicher, ab und zu kommt mal ein Hügelchen und die masurische Seenplatte lässt hin und wieder mal ein Wässerchen durchblitzen. Zudem lockert das Wetter weiter auf, sodass der Himmel mit Quellwolken durchzogen ist. Ab jetzt bleiben wir und die Straße trocken. Durch diese begünstigten Bedingungen schaffen wir auf den 90 km bis nach Suwałki sogar einen 45er Schnitt, das ist schon echt gut. Selbst die Tankpause ist boxenstoppartig schnell. Wir brauchen nur 20 min. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir heute zwei Ziele haben. Zum einen wollen wir heute noch Litauen erreichen und zum anderen das WM Finale sehen. Also Vollgas Richtung Grenze, es sind nur noch ca. 30 km – laut Zeugenaussagen. Wir überqueren also Punkt 18:00 Uhr bzw. 19:00 Uhr neue Ortszeit die Grenze. Weil wir im beschaulichen Städtchen Kalvarija, die erste Stadt nach der Grenze, keine Bleibe finden, fahren wir weiter nach Marijampolė. Hier finden wir relativ schnell ein Hotel. Und wir haben Glück, die Kneipe neben an, in der es auch das Hotelfrühstück gibt, überträgt das Finalspiel Deutschland-Argentinien. Also ganz klar, hier bleiben wir.
Als wir bei der Ankunft auf den Hof des Hotels gefahren sind, sind uns direkt Zwei weitere Motorräder aufgefallen. Beim Abpacken kam einer der Fahrer auf uns zu. Er hatte am Bulli gesehen, was wir so vorhaben und natürlich dazu die Größe unserer Maschinen. Ich weiß nicht wie oft er „Fucking crazy guys!” sagte, aber seine Begeisterung konnte er kaum unterdrücken.
Er fand uns so cool, dass er uns erst mal direkt auf ein Bier in der WM-Kneipe eingeladen hat. Wie das halt so ist, auf einem Bein kann man nicht stehen und nur Bier ist auch nicht das Wahre. Also muss noch Tequila herbei. Es ist eine lustige Runde und man tauscht sich interkulturell über das Thema Motorradreisen aus.
Nach und nach tritt zimmerbedingt immer einer nach dem anderen aus der Runde aus um sich vor dem Finalspiel noch etwas Frisch zu machen. Als alle soweit durch sind,begeben wir uns auch so langsam von draußen in die Schenke. Noch bevor das Spiel anfängt geht unser finnischer Freund bereits auf Schaukelschuhen. Er, seine Frau und Ben setzen sich an das zur wandgeneigte Ende der Tafel. In Ben hat unser Freund einen super Gesprächspartner gefunden, weil beide nur wenig Interesse an dem Spiel haben. Nachdem die Flasche Tequila leer ist, machen die Drei mit Cola-Whiskey weiter.
Zum Verlauf des Spiels muss ich nicht viel Sagen, denke ich. Schön ist nur, dass der Rest der Gäste, die im Raum sitzen, für die Argentinier sind. Wir werden nur sehr sparsam angesehen, als wir in Jubel ausbrechen, als das 1:0 fällt und dann der Abpfiff ertönt. Im Anschluss kaufen wir uns wieder in die Herzen unserer Mitzuschauer als wir als Siegerland eine Lokalrunde geben. Alle bedanken sich freundlich und sehen es sportlich. Unser Finnischer Freund hat von alledem nicht viel mitbekommen. Weil er seit der 2. Halbzeit mit dem Kopf an der Wand geschlafen hat. Aber wir hatten einen wunderbaren Abend, als krönenden Abschluss zu einem wunderbaren Tag.
TAG 05
Am nächsten Morgen kommen nach und nach alle aus ihren Löchern. Nach dieser doch angeheiterten und freudigen Nacht fällt es manchem schwer aus den Federn zu kommen. Dennoch trudeln so langsam aber sicher einer nach dem anderen beim Frühstück ein. Das Essen ist reichhaltig und stellt sich menüartig aus drei Teilen zusammen. Man hat die Wahl. Von Brötchen mit Marmelade und Käse, über Eierkuchen, bis hin zum English Breakfest ist für jeden was dabei. Reichhaltig und Lecker. Genau das was man braucht, wenn man mit dem Moped unterwegs ist. Ronny und ich planen währenddessen streckentechnisch den Tag.
Nachdem jeder sein Frühstück auf hat, beginnt wie jeden Tag das große Packen. Auf einmal kommt Ronny von oben runter mit einem Portemonnaie in der Hand und Fragt, ob das die Gruppenkasse sei?! Er hatte es im Hotelflur auf einem Sofa gefunden. Jan, unser Schatzmeister ist in diesem Moment nicht zur Stelle, und da ist uns klar, wir lassen ihn mal leiden. Ronny hat die Kasse mit mehr als 1000 Euro drin versteckt und wir haben in Ruhe weiter gepackt. Natürlich ist Jan bereits dabei alles abzusuchen und wird auch langsam unruhig, als er plötzlich meint, dass wir noch mal gucken müssen, wo die Kasse ist. Natürlich helfen wir ihm suchen, können aber leider auch nichts finden. Wir geben gute Ratschläge, dass er noch mal genau überlegen soll, wo er sie hingelegt hat, und vielleicht noch mal im Zimmer schauen soll. Aber nach 10 min hektischer Sucherei löst Ronny das ganze auf. Puh. Erleichterung macht sich breit, bei Jan. Wir müssen nur herzhaft lachen, und werfen Spitzen, ob er wirklich der richtige für den Job des Schatzmeisters ist?!
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass Jan seine Rolle wirklich zuverlässig und vertrauensvoll übernimmt. Wir haben noch nie erlebt, dass die Kasse nicht stimmt.
Nach allem Trubel kommen wir so gegen neun Uhr wieder auf die Straße. Gegen 09:00 Uhr verlassen wir sie auch wieder. Mein Moped zickt rum. Wir brauchen etwa ein halbe stunde um herauszufinden, dass es die Zündkerze entschärft hat und gleichzeitig beim Starten der Choke hängen geblieben ist. Das sind zwei echt fiese Fehler gleichzeitig, auf die man erst mal kommen muss. Aber wir haben es ja geschafft und so verlassen wir zusammen mit unserem finnischen Freunden Marijampolė nord-östlich nach Kaunas. Die Finnen wollen uns noch ein paar Kilometer begleiten und dann einfach weiter Richtung Heimat ziehen. Ungefähr 7 km nach dem Start will er sich dann auch verabschieden, winktvon seinem Bike aus und gibt Gas. Doch auf einmal reißt bei der sündhaft teuren Shopper der Antriebsriemen. Wir stehen also auf der Straße, weil die Shopper unseres Freundes eine Panne hat. Welche Ironie. Wir vergessen aber nicht, wer wir sind und wie oft uns bereits geholfen wurde. Jetzt haben wir die Gelegenheit mal Helden zu sein. Wir schlagen den beiden vor, die Maschine in den Bulli zu laden und 50 km bis Kaunas, die nächst größere Stadt, mitzunehmen. Auf dem Weg dahin telefoniert er eifrig mit Freunden aus Finnland, die ihm eine Werkstatt organisieren sollen. Nach nicht ganz einer Stunde erreichen wir Kaunas. Hier erweist es sich als äußerst schwierig eine Werkstatt zu finden, denn die Adressen, die wir bekommen haben, gibt es werkstatttechnisch nicht mehr. Wir halten letzten Endes bei einem Automechaniker an, und wollen fragen, ob er vielleicht jemanden kennt, der die Maschine reparieren kann. Hier vergeht einige Zeit in der Koordination, als plötzlich ein Harleyfahrer keine hundert Meter von uns entfernt ein eine Einfahrt einbiegt. Ronny und Patrick fahren hinterher um ihn um Hilfe zu fragen. Nach ein paar Minuten kommen sie wieder. Sie teilen uns mit, dass sie ihn nicht mehr gefunden haben. Doch damit wollen Sie sich letzendes nicht zufrieden geben und fahren erneut die Straße hoch. Eine ganze Ecke später kommen sie wieder zurück. Im Schlepptau fährt ein Biker, der einem bekannten Motorradclub angehört. Sie sind dieses Mal etwas weiter gefahren und haben das Clubhaus gefunden.
Er tauscht sich mit unserem Freund darüber aus, was passiert ist. Das ganze wirkt ein bisschen verhalten. Wir vermuten, dass es vielleicht mit verschiedener Clubzugehörigkeit zusammen hängt. Aber letztlich kann der Finne sein Motorrad im Clubhaus unterstellen, bis das entsprechende Ersatzteil innerhalb der nächsten zwei Wochen eintrifft, und dann wiederkommen und den Rücktransport organisieren. Der Gesamtaufenthalt in Kaunas beträgt etwa drei Stunden. Eigentlich macht sich bei den meisten auch schon wieder der große Hunger breit. Das Frühstück ist jetzt gute fünf Stunden her. Aber wir versuchen zumindest mal aus der Stadt und dem entsetzlichen Verkehr zu kommen, dass wir uns in ruhigeren Gefilden Gedanken über das Essen machen können. Und wir wollen erst mal ein bisschen verlorene Zeit aufholen, bevor die Bäuche wieder voll sind.
Nach fast 50 km machen wir vorerst einen Tankstopp. Füllen alles wieder auf, um für den restlichen Tag gerüstet zu sein. Als wir gerade wieder alle unsere Jacken anhaben und losfahren wollen, die Motoren laufen bereits, streikt Jonas Schwalbe. Also heißt es schieben, schieben, noch ein bisschen Schieben, um schlussendlich das Werkzeug wieder auszupacken und die Kerze zu wechseln. Erst mal Jacke aus, denn die Sonne steh brütend über uns. Aber wir wollen uns nicht beklagen, wir kennen das auch anders. Der Wechsel der Kerze bringt die gewünschte Besserung und die Schwalbe springt auf den ersten Tritt wieder an.
Ja ich weiß! Ich habe gesagt, dass wir nichts mehr von der Schwalbe hören, aber dieser Fehler ist technisch nicht wirklich dem Fahrzeug zuzuweisen.
Nach dem Tanken fahren wir fast 100 km am Stück. Wir kommen gut voran und das Fahren macht bei dem herrlichen Wetter so richtig Spaß. Doch langsam bekommen Ronny und ich ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen, weil wir nun seit fast neun Stunden nichts Richtiges mehr gegessen haben. In Svėdasai fragen wir, ob es irgendwo eine Gaststätte oder ähnliches gibt. Die Kommunikation fällt hier bereits sichtlich schwerer. Deutsch oder Englisch spricht hier soweit keiner. Dennoch schaffen wir es eine Gaststätte zu finden. Sie ist in der ersten Etage über einem kleinen Supermarkt und von der Straße nur schlecht einsehbar. Wir gehen die Treppen hoch und stellen unsere Standardfrage, ob die Dame hinter dem Tresen Englisch oder Deutsch verstehen würde. Ja, sie spricht deutsch! Wir schauen uns alle erschrocken an und fragen anschließend, woher sie so gut deutsch kann. Sie wäre ein paar Jahre in Heidelberg gewesen um zu jobben und Auslandserfahrungen zu sammeln. Coole Sache, denken wir uns und fragen natürlich auf Deutsch, ob wir von ihr was zu Essen bekommen können. Sie bejaht unsere Frage und zeigt uns einen Tisch. Wir setzen uns und machen es uns bequem. Nach der Annahme der Getränkewünsche erklärt sie uns, aus welchen Bestandteilen die heutigen fünf Gerichte bestehen. Wir beschließen uns für jeden eine Vorsuppe zu bestellen und jedes Hauptgericht zwei Mal, um uns dann auszutauschen. So kann jeder mal probieren.
Das Essen ist reichhaltig, deftig und es schmeckt frisch zubereitet. Von Fertigkost keine Spur. Es gibt verschiedene Hackfleisch-, Hähnchenfleisch- und Knödelgerichte, nicht zu Vergessen, den guten alten Kartoffelpuffer. Einfach super diese Köstlichkeiten und genau die Nähstoffquelle, die wir brauchten. Damit wir nach dem Essen nicht gleich einschlafen, gibt es für jeden noch einen Espresso hinterher. Die 60 Euro Rechnungsbetrag runden wir natürlich, aufgrund der Essensqualität und der freundlichen Bedienung. Mit einem gemeinschaftlichen Foto vor unseren Mopeds, verabschieden wir uns von unserer netten Bedienung und machen uns wieder in die Spur Richtung Lettland, Daugavpils.
Ungefähr 50 km weiter und eine gute Stunde später erreichen wir die litauische-lettische Grenze gegen 20:30 Uhr. Hier in Lettland scheint das Navigationsgerät auf einmal wieder kürzere Strecken zu kennen, als in Litauen. Denn kurz nach der Grenze leitet es uns auf einen sandbedeckten Waldweg. Jetzt ist nach dem gemütlichen Cruisen wieder Obacht angesagt. Aber nach ein paar Kilometern kommen wir wieder auf eine befestigte Straße und schon bald an der benötigten Tankstelle vorbei, sodass wir 20 km vor Daugavpils wieder mit vollen Tanks weiterfahren können. Hier verlassen wir wieder die Hauptstraße und kommen kurz darauf auf eine Schotterstraße. Diese Straße wird anscheinend mit der tonnenweisen Aufschüttung von frischem Kies geflickt, der dann von den darüberfahrenden Kraftfahrtzeugen festgefahren werden soll. Das hat hier leider nicht geklappt und so kann man schon mal durch ein 5 cm tiefes Kiesbett fahren. So was macht mit zwei Rädern und Gepäck nicht so richtig Spaß. Nach ein paar Kilometern ist der Spuk aber wieder vorbei.
Wir fahren noch 40 km und lassen Daugavpils hinter uns um danach ein schönes Fleckchen zum Zelten zu finden. Kurz an der Hauptstraße finden wir dann eine Wiese, wo wir die Zelte aufbauen können. Von Mücken geplagt stellen wir die Zelte auf, trinken noch ein Bierchen und machen uns dann ab in die Heia.
TAG 06
Wieder einmal klingelt der Wecker, mein Wecker. Ich bin für das Wecken zuständig und somit auch der morgendliche Arsch der Gruppe. Das ganze unter dem Leid, immer der erste zu sein, der aufstehen muss. Naja was soll’s. Die Uhr zeigt halb sieben und ich krabble aus meinem Schlafsack und dem Zelt an die frische Luft. Nach dem allmorgendlichem Ritual, alle zu Wecken, Kaffee zu kochen und anschließend gemeinsam zusammenzupacken, geht es los auf den Weg zu unserem heutigen Ziel, Estland.
Da wir uns bereits wieder auf einer Schotterstraße befinden, führt unser Weg genau auf dieser weiter. Zwar kommt nach ein paar Kilometern eine geteerte Straße, aber diese hört nach kurzer Zeit schon wieder auf und es geht auf denselben schwammigen Schotterboden weiter. Für mich ist das gar nichts, zum einen, weil wir mit gerade einmal 30 km/h fahren können, zum andern ist das für mich kein Roadtripfeeling, wenn ich permanent damit rechnen muss auf die Fresse zu fallen. Marcel und Ronny zum Beispiel finden das ganz gut, weil es ihnen mal eine Abwechslung zur normalen, meist vielbefahrenen Straße bringt. Ich hätte gern wieder festen Boden unter den Rädern. Wir kommen auf jeden Fall nur sehr langsam voran und als wäre das nicht genug, wird der Weg enger und schrumpft auf eine Breite von vielleicht 1,5 m zusammen. Das ist natürlich blöd für den Transporter. Also kehren wir wieder um. Die beiden Männer, an denen wir zu vor vorbeigefahren sind, schauen uns nur komisch an. Sie denken sicher, dass diese blöden Touris sich echt doof verfahren haben. Und so war es auch. Egal welche Abzweigung, welchen Weg wir genommen haben, das Navi führe uns immer wieder zurück zu diesem kleinen Weg. Nach einer halben Stunde blöden Herumfahrens habe ich die Schnauze voll und frage die freundlichen Herren. Mit einem Bierchen, morgens halb neun in Lettland, beschreiben uns unsere freundlichen Helfer den richtigen Weg, um auf die Hauptstraße zu kommen. Dort angekommen beschäftige ich mich mit dem Navigationsgerät und wähle in den Optionen „unbefestigte Straßen vermeiden“. Wir stehen nun an einer T Kreuzung. Ein Wegweiser sagt uns, dass wir der Straße nach links folgen sollten. Unser Navi meint das auch, aber nur für 200 m und schickt uns dann rechts weg. Aufgrund der neuen Einstellungen und der Tatsache, dass die Straße stabil ist, vertrauen wir dem Navi. Nach vier Kilometern stellen wir fest, dass das ein Fehler war. Was wir bis dahin nicht wussten, dass diese Schotterwege in Lettland, richtige echte Straßen sind. Da stehen auch Schilder, dass man 90 km/h (die übliche Landstraßengeschwindigkeit) fahren darf. Und die LKWs machen das auch. Ob da acht Mopedfahrer sind oder nicht, ist nicht wichtig und dass die Straße hinter ihnen in dichten Staub gehüllt wird auch nicht. Scheiß egal, wichtig ist es das Tempolimit auszureizen.
Nach etwa 35 km Wegstrecke machen wir eine Pause in der Nähe von Aglona. Beim Vorbeifahren haben wir eine hübsch gestaltete Landschaft gesehen, zu der wir gerade zurückfahren, um Pause zu machen. Hier wurde um eine kleine Kapelle herum ein kleiner wunderschöner Park mit ausgefallenen Holzschnitzereien angelegt. Und so lässt sich die erste Pause des Tages wunderbar in der Sonne genießen. Nach einer dreiviertel Stunde machen wir uns wieder auf die Socken. Und das Fahren macht wieder Spaß, da die Straße wirklich befestigt ist. So kommen wir für die nächsten 40 km top voran. Aber ab Dagda gab es wieder reichlich Schotter. Sogar soviel, dass Arndts Schrauben vom Schutzblech locker geworden sind und verloren gingen. Aber zum Glück haben wir noch Ersatz eingesteckt. Patrick beschwert sich zwischendurch immer wieder über die Geräuschkulisse seiner Kette und spannt sie mal vor, mal zurück. Ben muss auch gelegentlich seinen Krümmer nachziehen. Aber sonst haben wir keine größeren Probleme.
Um die Mittagszeit erreichen wir Rēzekne nach insgesamt 130 km. Wir sind schon etwas geschafft und stärken uns mit einem leckeren Eis. Hier können wir auch direkt die Moppeds auftanken. Etwas mehr als anderthalb Stunden halten wir uns hier auf. Matzes Idee nen Kaffee zu trinken stimmen wir mit großer Begeisterung zu. Nur leider bekommen wir an der Selbstbedienungstanke keinen Kaffee. Also fahren wir auf den Weg die nächste bemannte Tanke an, sitzen uns hier auch nochmal ne halbe Stunde fest und sehen den Gewitterwolken zu, wie sie freudig auf uns zu kommen. Wir beschließen also bei strahlendem Sonnenschein die Regenkombis in weiser Voraussicht anzuziehen. Als wir gerade losfahren wollen verschlingt mein Moped die zweite Zündkerze. Marcel hatte zum Glück noch eine in der Tasche und so können wir das Malheur gerade schnell beheben. Wir fahren hinten, dadurch bekommen die anderen davon gar nichts mit.
Trotz das wir in den nächsten 70 km gut vorankommen, entscheiden wir uns nicht, wie geplant über Alūksne zu fahren und drehen bei Balvi nordöstlich ab. Wir wollen ein bisschen Strecke einsparen um den übermorgigen Tag in Riga etwas ausgelassener genießen zu können. Das Wetter hat sich etwas verschlechtert. Ab und zu fallen ein paar Regentropfen vom Himmel, auch mal ein kurzer Schauer, aber im Großen und Ganzen umfahren wir das Gewitter weiträumig.
Auch wenn wir weiterhin gut vorankommen, sind wir irgendwie ziemlich fertig. Fast 60 km vor der Grenze denken wir ernsthaft darüber nach, uns in Smiltene einen Zeltplatz zu suchen. Wir machen eine kurze Tankpause und dabei fällt Arndt etwas an Marcels Moped auf, denn unsere Tankstopps sind immer so geregelt: Einer Tankt, einer rechnet (wie viel Benzin im Moped ist) und mindestens zwei Leute schieben die Mopeds beiseite. Der Rechner sagt dem Schieber wie viel Liter im Tank des jeweiligen Mopeds sind und der gibt es dem Mischer weiter. Das Privileg des Mischers liegt allerdings bei Arndt, denn keiner kann die Ölflasche so genau einschätzen wie er. Arndt muss nicht mehr auf der Milliliteranzeige der Flasche nachsehen, ob genügend Öl im Tank ist, dass merkt er schon beim Gießen. Immer wieder beeindruckend.
Trotz dass Arndt der Mischer ist, hilft er die Mopeds von der Zapfsäule wegzuschieben. Dabei erwischt er Marcels Moped. Dass Schrotti nie wirklich einen stabilen Eindruck macht, wissen wir alle, aber mit der Aussage von Arndt, „…da kriegst du ja schon beim Schieben Angst…“ machen wir uns doch ersthafte Sorgen. Vor allem, nachdem jeder mal geschoben hat. Wir erkennen bei genauerer Bertachtung, dass die Speichen bei Marcels Hinterrad alle komplett locker sind. Im Grunde das gleiche Problem wie in Italien, übrigens auch schon bei Marcel. Also eine Kiste unter den Hauptständer, damit das Rad in die Luft kommt und dann Speichen festziehen. Schön eine nach der andern, Stück für Stück.
Das ist immer wieder ein Knaller mit diesem Moped. Das hat Sachen, die man einfach nicht bedenken kann. Aber auch dieser Fehler hilft uns dabei uns zu verbessern und Jan nimmt auf die Liste der Dinge, die wir unbedingt brauchen, einen Speichenschlüssel auf.
Beiläufig diskutieren wir immer noch ob wir nun was zum Pennen suchen oder weiterfahren sollen. Es ist bereits halb acht und wir wissen ja nicht, was noch vor uns liegt und ob wir halb neun, wenn wir ankommen, noch eine Herberge finden?! Aber wir entschließen uns weiter zu fahren. Bereits 50 min später erreichen wir Estland, wir haben es geschafft! Erschöpft von fast 370 km Fahrstrecke machen wir unser persönliches Siegerbild an der unbewachten ehemaligen Zollstation von Valga, dem lettisch-estländischem Grenzort.
Als wir um 21:00 Uhr unseren kleinen, privaten und gemütlichen Hinterhofzeltplatz beziehen, freuen wir uns schon auf ein gemeinsames Bierchen in der zur Küche umgebauten Garage. Dazu gibt es leckere Spagetti mit einer exzellenten Soße, die Ben für uns zubereitet hat. Aber lange halten wir auch heute nicht durch. Aber hurra! Wir sind wieder vollkommen im Zeitplan!
TAG 07
Heute lassen wir den Tag langsam angehen. Nicht nur, dass wir erst um acht Uhr aufstehen, auch die Möglichkeit einer Dusche wollen wir nutzen. Wichtig auf Mopedtouren ist, dass man zwei Dinge immer nutzt, wenn sie zur Verfügung stehen. Toiletten und Duschen, denn wer weiß, wann die nächste kommt. So nutzen wir was wir haben und naja, bei nur einer Dusche dauert das halt ein bisschen, bis alle neun im Bad waren. Das heißt, dass jeder einzelne ein sehr ausgelassenes Frühstück hat. So sitz ich wiedermal mit Ronny über der Route. Marcel hatte als Wunsch geäußert in Riga mal richtig einen drauf machen zu wollen. Das heißt, wir schauen uns die Karten an, um ein bisschen Strecke zu sparen. Denn wir finden, dass er Recht hat. Bisher haben wir nicht wirklich viel Zeit für uns gehabt. Das liegt aber wie in jedem Jahr daran, dass wir nur begrenzt Urlaub haben und daher nur zehn maximal elf Tage am Stück haben, um diese Touren zu meistern. Und da diese Strecke eine der längeren ist, haben wir auch entsprechend lange Tagestouren, oft von mehr als 320 km auf der Uhr.
Wenn wir den direkten Weg nach Riga wählen, führt uns das Navi denselben Weg zurück, wie wir gekommen sind und das heißt in dem Falle, wir würden Estland nach 5 km wieder verlassen. Wir verarschen uns ja gern auch mal selbst. Zum Beispiel mit dem Haken an Bosnien, weil es Kroatien für 10 km an der Küste schneidet. Aber dafür, dass Estland unser Hauptziel ist, reicht uns das nicht. Wir planen die Route so, dass wir noch ein paar Kilometer oberhalb der Grenze zurücklegen. Ein bisschen Stolz haben wir ja auch.
Halb zehn machen wir uns wieder los. Die Temperaturen sind zwar noch morgendlich kühl, aber das Wetter ist vielversprechend heiter. Wir starten unseren Tag in Richtung Westen, die Straßen sind gut, die Landschaft ein bisschen trostlos, flach und wenig spektakulär. Unsere erste Kuriosität des heutigen Tages erleben wir nach etwa einer Stunde, als mitten auf der Landstraße ein Bauarbeiter mit der Kelle in der Hand steht und uns vermittelt, dass wir anhalten sollen. Es dauert ein paar Sekunden, bis wir merken, dass er die estländische, arbeitsbeschaffende Baustellenampel ist. Der Kollege ist gut drauf und mit einem Lächeln im Gesicht lässt er uns ein Foto von ihm schießen.
Weiter geht es in angenehmer Fahrweise. Und so kommen wir schnell zu dem Abzweig, der uns endgültig wieder nach Hause führt. Nach Süden rollend, erreichen wir nach 10 km schnell die Grenze Lettlands. Weitere 10 km später erreichen wir das beschauliche Städtchen Rūjiena. Wir nutzen die Gelegenheit einer Tankstelle, um die leeren Tanks wieder zu füllen. Nach der Befüllung gönnen wir uns alle noch ein leckeres lettisches Eis von der Tanke. Patrick werkelt wieder mal an seiner Kette, die ihm seit gefühlten 3000 km Ärger macht. Die Frage, warum er keine neue Kette verbaut, steht im Raum. Er meint, dass er keine passende mit hat, nur Meterware. Wir empfehlen ihm, die Kette trotzdem zu wechseln und entsprechend zu kürzen. Er macht sich also auf den Weg, die Kette aus dem Auto zu holen. Beim Auspacken stellen wir fest, dass die Kette zufällig eine passende ist. Das erleichtert natürlich den Einbau enorm, weil nichts gekürzt werden muss. Gesagt getan, zehn Minuten später ist alles verbaut und die alte Kette bereits entsorgt. Nur noch frisches Fett dran und weiter. Da ich eh schon meine Finger eingesaut habe, schmiere ich das Fett an die Kette, während Patrick vorsichtig das Hinterrad dreht. Weil ich eine Sekunde lang nicht aufpasse rutscht mir natürlich mein Finger zwischen die gerade gestraffte Kette und das Ritzel. Ich rufe halt und frage Patrick, ob er noch mal kurz zurück drehen kann. Natürlich macht er das auch. Während Ronny meinen Finger verklebt, bauen Ben und Patrick die MZ wieder zusammen. Noch ein kurzes Erholungszigarettchen und dann machen wir uns auch wieder los. 170 km müssen wir noch machen und es ist bereits halb zwei.
Eine halbe Stunde später gibt es ein paar kurze Pflichterholungen für uns, auf Grund von Baustellenampeln. Und ob wohl diese aus unserer Sicht unnütz sind, nehmen wir es locker, wir liegen ja gut in der Zeit. Dennoch haben wir seit der letzten großen Pause schon wieder fast 100 km gemacht. Langsam macht sich ein kleiner Hunger breit. Jonas regt an, pausentechnisch ein schönes Fleckchen Erde zu suchen und uns nicht am Straßenrand abzustellen.
Da nicht nur Patricks Kette so lange für Unbehagen gesorgt hat, sondern auch Ronnys, würde er seine auch gern wechseln. Seine Kettenspanner sind auf Anschlag und die Kette ist locker. Das heißt wechseln oder kürzen. Da die Kette bereits sehr ausgelutscht aussieht, entscheiden wir uns für wechseln. Das Problem was wir haben ist, dass wir nur noch eine Rollerkette als Ersatz mit haben, die eigentlich zu kurz ist. Aber wir wären nicht die Drei lustigen Vier, wenn wir es nicht wenigsten versuchen würden! Nach gut 15 min verzweifeltem Versuchen gibt Ronny auf. Zwar bekommen wir die Kette sogar über das Ritzel und mit dem Schloss zusammen, aber sie ist einfach zu straff. Wir fetten die alte Kette richtig ein und ziehen sie wieder drauf. Leider haben wir hier nicht wirklich gute Möglichkeiten die Kette vernünftig zu kürzen, also lassen wir das lieber. Wieder 1,5 Stunden mit Basteln verbracht. Aber was will man machen. Lieber so, als wenn nachher was ist und wir haben uns der Sache im Vorfeld gar nicht angenommen. Sicherheit geht bei uns vor!
Zehn Kilometer später reißt mir der Gasbowdenzug. Ganz toll! Zumal ich durch die Scheibenbremsarmaturen einen anderen Bowdenzug benötige. Der Originale, den wir mithaben, passt nicht und der geteilte vom Roller ist bereits ziemlich ausgefranzt, so dass wir nach 30 Minuten vergeblichen Probierens uns darum kümmern, in Riga eine Motorradwerkstatt zu erreichen, die uns bei der Sache helfen kann. Sicherlich hätten wir etwas improvisieren können, aber Marcel zuliebe, seinen Party-Abend in Riga nicht zu gefährden, lade ich das Moped in den Bulli und fahre mit Matze vor. Schlussendlich muss ich einen Kompletten Gasgriff kaufen, der einen passenden Bowdenzug enthält, den wir dann an meinen Gasgriff anpassen müssen. Als wir fertig sind, lasse ich einen unserer freundlichen Helfer als Dank für den Rabatt noch eine Runde über den Hof drehen. Dann machen Matze und ich uns auf zum Zeltplatz.
Es ist mittlerweile acht Uhr als wir ankommen. Die Anderen warten seit etwa 20 min auf uns. Jetzt heißt es Zelte aufbauen, duschen, fertig machen. Gegen 22:00 Uhr brechen wir dann gemeinsam auf. Mit einem lockeren Handbier bewegen wir uns langsam Richtung Innenstadt.
Als wir gegen elf die Stadt erreichen ist es gar nicht mehr so einfach ein Lokal zu finden. Die meisten Läden schließen hier in der Woche anscheinend zwischen elf und zwölf Uhr.Unser erstes Bier genießen wir im Irish Pub. Anschließend merken wir schnell, dass aus unserer Kneipentour wahrscheinlich nichts wird, denn die Läden, die noch offen haben, sind nicht gerade in dem rustikalen Standard den wir gerne hätten. Auf Schickimicki haben wir auch keine Lust. Letzten Endes landen wir in einer Karaoke Bar und melden uns auch für diverse Lieder an. Doch mein persönlicher Misserfolg stellt sich ein, als ich mit Matze „Johnny B. Good“ performe und ab der zweiten Strophe einen krassen Hänger habe!
Jonas ist die ganze Zeit schon so unruhig und will in eine andere Kneipe. Wir sehen aber nicht wirklich den Sinn darin, weil die meisten Lokale bereits geschlossen sind und wir nun auch keinen Lust haben, ewig durch die Gegend zu laufen um im Endeffekt nichts zu finden. Aber Jonas lässt nicht so richtig locker. Als Ronny mit ihm darüber spricht um ihm die Sache klarzumachen, kommt Jonas endlich mit der Sprache raus. Er hatte sich auf Grund seiner vorherigen Besuche in Riga überlegt, uns ein paar Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Sein Plan war also etwas zu essen, Sightseeing und dann feiern. Doof für uns war, dass wir den Plan alle nicht kannten. Und wir wollten auch nicht, dass Jonas um die Uhrzeit und angeheitert, allein zum Campingplatz zurück geht. Ihm zuliebe machen wir also eine kleine Stadtrunde zu fuß, wobei er uns Beispielsweise die Oper und das Freiheitsdenkmal von Riga zeigt.
Generell ist die gesamte Gruppe durch aus für Kultur zu haben. Aber um diese Zeit und mit Alkohol im Blut interessieren sich gerade mal noch Ronny, Jan und ich dafür. Ben drängelte die ganze Zeit schon, was wir hier eigentlich um diese Uhrzeit noch vorhaben. Und nachdem er, Marcel, Patrick und Arndt uns kurz begleite haben, machen sie kehrt und gehen zur Kneipe zurück. Jonas, Ronny, Jan und ich gehen noch ein paar Meter und entschließen uns nach einem kleinen Mitternachtssnack mit dem Taxi nach Hause fahren zu lassen.
TAG 08
Heute Morgen ist die Stimmung irgendwie sehr ruhig. Ob das wohl noch an den Nachwehen von letzter Nacht liegt? Wer weiß wie viel Alkohol der ein oder andere noch im Blut hat. Es wird bis zur Abfahrt allerdings nur das nötigste gesagt.
Weil wir wussten, dass wir heute nur einen kurzen Tag vor uns haben werden und die Nacht in Riga etwas länger werden würde haben wir die Wecker erst auf 11 Uhr gestellt. Durch diesen ruhigen Trott, verlassen wir Riga nach dem Tanken erst halb eins, Richtung Westen.
Trotz der Mautgebühren durchfahren wir das nur 20 km entfernte Jūrmala. Eine kleine niedliche Touristadt an der Ostseeküste Lettlands. Viel Geld müssen wir allerdings nicht ausgeben, da Mopedfahrer das Gebiet umsonst passieren dürfen. Lediglich der Transporter kostet uns zwei Euro.
Die Fahrt geht ruhig und zügig weiter. Nach den ersten 50 km des Tages machen wir Rast an einem Parkplatz direkt an der Straße. Von dort aus ist das Meer nur 100 Meter entfernt. Und natürlich gehen wir zum Wasser! Mit Motorradstiefeln unter den Hacken, geht es geradewegs durch den Sand. Wir genießen die schöne Aussicht und essen lecker ein paar Kekse. Nach einer halben Stunde geht es für uns wieder auf die Straße.
Nach etwa 90 Kilometern halten wir in Mērsrags an, um in einem kleinen Laden für den heutigen Abend einzukaufen. Wir wissen, dass wir heute wassernah übernachten werden und haben uns überlegt, vielleicht am Strand zu grillen. Leider bekommen wir in dem kleinen Geschäft keine besonders große Auswahl an Fleisch geboten. Und das was da ist, würde nicht für alle reichen um satt zu werden. Wir sind ja flexibel, also kaufen wir neun Eis und machen das Beste daraus. Unser Glück, im 30km entfernten Roja finden wir noch einem MAXIMA Markt. Wir entscheiden uns, neben diversen Grillfleischsorten auch Hack mitzunehmen, um später Klopse zu grillen. Gute Idee, gesagt getan, nur noch ein paar Bier und ein bisschen was für das morgige Frühstück, dann geht es auch schon weiter.Nach weiteren 30 km erreichen wir Kolka, die Stadt am Kap. Es ist fast 17:00 Uhr als wir das Ortsschild passieren. Ronny und ich sind so euphorisch, angekommen zu sein, dass wir gar nicht mitbekommen, dass die anderen nicht mehr hinter uns sind. Naja wir machen erst mal ein paar Fotos am Ortseingangsschild. Das macht sich später im Fotoalbum besonders gut. Aber direkt danach fahren wir zu den Anderen zurück.
Dort angekommen fragen wir was los ist, weil alle so eine ernste Miene ziehen. Marcel sagt, dass Arndt einen Motoraschaden hat und wir nicht weiter können. Wie beschissen, denken wir uns. Aber Marcel hat uns nur veralbert. Arndt wurde von einer Biene gestochen. Das Beste gegen einen Bienenstichen auf Mopedtour ist, erst mal eine zu rauchen und dann weiter zufahren. Auf den letzten paar Kilometern zum Kap sehen wir an der linken Straßenseite bereits eine Einfahrt zu einen Zeltplatz. Patrick, der vorfährt, zeigt auf das Schild und ich sehe Marcel, der hinter Patrick fährt und mit dem Kopf nickt. Wir brauchen halt nicht viele Worte um klar zu machen, was wir wollen.
Am Kap angekommen, wird als aller erstes die Parklatzkassiererin bezahlt. Sie erhält einen Euro pro Person und Stunde und lässt uns an der Schranke vorbei. Wir steigen ab und gehen unter strahlend blauem Himmel durch ein kleines lichtes Waldstück zum Stand. Am Kap angekommen, fragen wir eine vorbeikommende Familie, ob sie vielleicht ein Foto von uns machen würde. Der Familienvater erklärt sich direkt dafür bereit.
Wir genießen noch ein bisschen die Sonne und trinken unser Bier aus, bevor es zum Zeltplatz geht. Als wir ankommen, wird direkt aufgebaut. Schließlich wollen wir ja noch grillen. Als wir so beim Aufbauen sind, kommt Marcel plötzlich aus dem nichts. Er ist bei der Ankunft als erstes seiner Notdurft nachgegangen und empfiehlt uns nun folgendes: „Also Leute, wenn ihr scheißen müsst, geht lieber in den Wald!“. Anscheinend waren die hölzernen Herzhäuschen nicht das Wahre. Trotz des Hinweises muss ich mir das Spektakel ansehen. Der Anblick ist noch nicht mal schlimm. Es ist sauber und wirkt gepflegt. Aber der Geruch geht mal gar nicht. Und vor allem die Fliegen, die hochkommen, wenn man den Deckel vom Klo öffnet… Hmmm Lecker! Also doch lieber in den Wald.
Mir fällt auf, dass Patrick immer noch so ruhig ist und ich frage nach was los ist. Erst druckst er ein bisschen rum, aber dann kommt er mit der Sprache raus, dass ihm der Ablauf des gestrigen Abend stört. Das sich die Gruppe so aufgeteilt hat und er sich halt gefreut hätte, wenn wir alle was zusammen gemacht hätten. Er findet es gut, dass Jonas sich was überlegt hat. Er hätte nur vorher mal darüber sprechen können. Wir verfahren sonst immer nach der Prämisse, „Alle oder Keiner“.
Marcel und Ronny kommen auch dazu und wir finden, dass Patrick Recht hat. Ich meine es geht hierbei nicht um Jonas, sondern eher darum, dass man Dinge innerhalb der Gruppe gemeinsam bespricht und sich abstimmt. Und vor allem, dass man offen miteinander sprechen kann und sollte, damit so was nicht noch einmal passiert. Gut, nun war gestern auch noch Alkohol im Spiel, aber wir wollen die Thematik noch einmal mit allen besprechen. Zurück zum „Lager“ wo die anderen sind, sprechen wir das Thema an. Uns ist klar, dass Jonas das nur gut gemeint hat. Aber grundsätzlich wollen wir, dass allen klar ist, dass wir hier mit und für die Gruppe agieren. Und dass man sich halt in gewissen Dingen abstimmen muss. Natürlich weiß das jeder, aber es soll auch allen bewusst werden. So wie uns auch. Es wäre schlimm, wenn wir Themen nicht mehr in der Gruppe besprechen könnten und jeder nur noch sein Ding macht. Die anderen verstehen, dass der gestrige Abend dumm gelaufen ist und wie jeder an sich arbeiten muss.
Jetzt haben wir genug gelabert, ran ans Werk. Grill an, Fleisch drauf und nebenbei Klopse formen. Sofern das möglich ist. Ich weiß zwar nicht, was wir da gekauft haben, aber normales Hack ist das nicht. Marcel, der das ganze knetet meint, dass das SO dünn ist, dass die Bouletten immer wieder zerfallen. Wir versuchen das ganze etwas anzudicken und bröseln trockenes Brot darüber. Aber so richtig will es nicht werden. Die Pampe ist so dünn, dass wir die Klopse auf Alufolie legen müssen, damit sie nicht in den Grill tropfen. Das Fleisch und die Würstchen sind hingegen ganz gut. Es ist zwar schade drum und wir hassen es auch Essen zu verschwenden, aber an die besagten Bouletten trauen wir uns dann doch nicht ran. Wir belassen es bei dem übrigen Fleisch, den Würstchen und schmieren uns ergänzend noch eine Schnitte, bevor es wieder in die Heia geht. Heute bitte pünktlich, wir müssen morgen früh raus um rechtzeitig an der Fähre zu sein.
TAG 09
Heute haben wir mit 80 km zwar nur sehr wenig Strecke vor uns, aber trotzdem einen straffen Zeitplan. Unsere Fähre fährt um 12:00 Uhr Ortszeit ab. Was bedeute, dass wir bis 11:00 Uhr mit den Mopeds eingecheckt haben müssen. Wir sind bereits um sechs aufgestanden, um zeitig auf der Straße zu sein. Wir schaffen es noch vor um sieben alles gepackt zu haben und startbereit zu sein. Die Stimmung ist super und die Sonne lächelt uns auf dem Weg Richtung Süden über die Schulter, sodass wir lange Schatten auf die Straße werfen. Patrick signalisiert die ganze Zeit, dass wir alle nebeneinander Fahre sollen, um von den Schatten ein Bild machen zu können. Grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, zumal die Straße gerade nicht befahren ist. Der Haken ist, dass wir nicht alle nebeneinander Passen. Weil wir nach 30 km noch sehr gut in der Zeit sind, schlage ich ihm vor, dafür vielleicht anzuhalten. Man sieht später auf dem Bild eh nicht, dass wir fahren.
Also machen wir einen kleinen Stopp, positionieren uns und machen ein Foto von unseren acht Schatten auf der Straße. Ronny, als unser Kameramann, will noch ein paar Aufnahmen im Kasten haben, die wir auf normalbefahrener Straße und unter hohem Zeitdruck normalerweise nicht machen könnten. Natürlich nehmen wir uns die Zeit dafür! Die 20 Minuten haben wir auch noch. Das heißt, die Kamera wird auf die Straße gelegt, wir fahren in Zweierreihe daran vorbei und der Transporter mittig drüber weg. Wir machen noch ein paar andere Einstellungen, bevor es dann weiter Richtung Fähre geht.
Zehn Kilometer vor der Fähre machen wir eine letzte Rast am Būšnieku-See. Er liegt nördlich von Ventspils und von unserem Rastplatz aus können wir gut das Wasser sehen. Noch eine Zigarette, ein paar Waffeln und dann geht es nach einer halben Stunde weiter. Es ist zwar erst um 09:00 Uhr, aber wir wollen ja auch noch Verpflegung für die nächsten 24 Stunden auf der Fähre besorgen. Ach ja, tanken wollen wir auch noch, damit wir dann in Deutschland gleich durchstarten können.
Jan, Ronny und ich kaufen das letzte Mal im Ausland ein. Alles das, was für den kleinen und großen Hunger auf der Fähre wichtig ist. Als wir an dem in Supermarkt integrierten Bäcker vorbei kommen, werden Ronny und ich von den Torten angelacht, die in der Auslage liegen. Die sind bestimmt lecker! Und für 5,00 € ein Schnapper. Wir müssen gar nicht viel Überredungskunst anwenden, um unseren Schatzmeister zu überzeugen. Jan willigt ein. Diese Prüfung ist wichtig, denn Jan ist dafür verantwortlich, die Kosten etwas im Griff zu halten und prüft oft vorher unsere Kaufwünsche auf Logik.
Nach dem wir die Einkäufe eingeladen haben, fahren wir noch schnell tanken und ab die Post zum Schiff. Dort angekommen, reihen wir uns ordnungsgemäß beim Pförtner ein. Als wir an der Reihe sind, geben wir ihm die entsprechenden Papiere, die Jan vor der Tour am PC ausgedruckt hat. Der Mann mit der Kelle guckt sich die ganze Sache an und fragt nach Boardingcards. Wir gucken uns an, gucken ihn an und erklären, dass wir mehr nicht haben. Er meint, dass wir uns erst in dem Büro, am Anfang des Geländes anmelden müssen. Also gehen Jan, Ben und ich schnell dahin. Wir reihen uns in der nächsten Schlange ein, mit allen Ausweisen beziehungsweise Reisepässen. Als wir an der Reihe sind, fragt der Beamte doch tatsächlich nach den Papieren der Fahrzeuge. Ich werde bald wahnsinnig! Jan soll den Platz frei halten. Ben und ich gehen schnell zu den andren zurück und holen die Unterlagen. Fünf Minuten später sind wir wieder am Schalter. Der Kollege vergleicht die Daten mit denen, die er bereits bei der Buchung von uns bekommen hat. Endlich bekommen wir die Schnipsel für den Pförtner. Diese Hektik. Und das alles, weil die blöde Fähre zwei Stunden vor Abfahrt geladen sein muss. Ich frag mich wofür?! Man könnte ja auch mal ein dickes Schild aufstellen:
„CHECK IN HERE! Please keep your ticket, passport and vehicle documents ready.”
Aber nö, lassen wir die dummen Touris doch ein bisschen laufen, in Motorradklamotten, bei 30°C. Das können die schon ab…
Naja was soll‘s, wir sind ja jetzt auf dem Kutter. Also Zimmer beziehen, einrichten, auspacken und wieder versammeln. Nach etwa einer Stunde treffen wir uns das erste Mal an Deck, um unser erstes gemeinsames Bierchen zu schlürfen. Das Schiff ist immer noch im Hafen. Und ich rege mich wieder darüber auf, was die Hektik im Vorfeld sollte. Aber was soll’s. Nachdem der Kutter schließlich mit eine halben Stunde Verspätung ablegt, interessiert uns das schon nicht mehr. Wir essen heiter unsere Torte und die Melone, die Jonas ein paar Tage zuvor gekauft hat und machen es uns gemütlich. Am Abend sind wir auf dem obersten Außendeck am Ende des Schiffes und vernichten die letzten Alkoholreserven. Wir lassen die Tour und die gewonnenen Eindrücke noch einmal Revue passieren und freuen uns über eine weitere erfolgreiche Tour. Obgleich wir wissen, dass es morgen schon wieder vorbei ist, sind wir Stolz auf uns und auf das, was wir gemeinsam geleistet haben.
TAG 10
Nachdem die morgendliche Bandansage des Schiffes uns zum wiederholten Mal auf irgendetwas hinweisen wollte, was wir nicht verstanden haben, ist zumindest in unserer Kabine auch der Letzte wach. Wir haben uns gestern darauf verständigt, dass wir uns heute um 10:00 Uhr vor der Schiffskantine treffen wollen, um gemeinsam zu frühstücken. Die Kantine hat mit dem Essen selbst nichts zu tun, sie dient ehr als Treffpunkt. Wir haben gestern schon genug zu essen eingekauft, damit wir nicht den überteuerten Kutterfraß kaufen müssen.
Nach und nach trudelt Einer nach dem Anderen am vereinbarten Treffpunkt ein. Gemütlich und ausgedehnt fällt unser Frühstück aus. Wir haben uns Kaffee besorgt und lassen uns es so richtig gut gehen. Und da warten wir darauf, dass wir Lübeck näher kommen.
Nach dem wir mit dem Essen fertig sind, gehen wir noch ein bisschen an Deck, um das Einlaufen des Schiffes im Hafen mitzuerleben.
Als dann die Bandansage kommt, dass wir uns zum CAR-DECK bewegen dürfen, wird es unübersichtlich. Jeder will der Erste sein und alle haben es besonders eilig. Wir lassen und davon aber nicht aus der Ruhe bringen und gehen in unsere Kabinen, ziehen die Motorradsachen an und gehen mit unseren Klamotten Richtung Parkdeck.
Das Verlassen des Schiffes geht zügig vonstatten. Nach nicht mal 5 min der Gate-Öffnung stehen wir bereits auf dem Hafengelände, um uns zu sammeln. Wir haben ja zum Glück bereits vor der Fährüberfahrt die Mopeds aufgetankt. Dadurch kommen wir natürlich auch schnell aus Lübeck raus. Es ist bereits 13:00 Uhr und wir wollen ja auch mal wieder zu Hause ankommen.
Wir kommen im Grunde genommen recht gut voran. Natürlich halten uns die Ampeln und der Verkehr um die Mittagszeit etwas auf, aber nach etwa 50 min Fahrt lassen wir Lübeck hinter uns. Als wir gerade wieder auf eine Landstraße kommen und uns in für Mopeds natürlichen Lebensraum befinden, steigt die Freude. Jetzt geht es voran und diese widerliche Stadtfahrerei hat ein Ende. So dachten wir…
Schrotti, Marcels Moped, dachte allerdings etwas anders. Wir ziehen gerade den Hahn auf, als Marcel plötzlich langsamer wird und sich an den rechten Fahrbahnrand ausrollen lässt. Nach einer kurzen Symptomdiagnose gehen wir nach 1,2 sek. von einem Kolbenklemmer aus. Also Bastelpause.
Matze parkt den Bulli in einer Einfahrt ein paar Meter weiter auf der linken Straßenseite. Patrick und Arndt gehen hinterher, um das Werkzeug zu holen. Sie bringen bereits den Ersatz-Kolben und -Zylinder mit. Es geht zügig ans Werk. Doch nach dem wir den Zylinder runter haben, müssen wir mit Entsetzen feststellen, dass wir diesmal nicht so leicht davon kommen. Der Kolben muss sich so fies verklemmt haben, dass große Stücke des Kolbenhemdes rausgebrochen sind. Ist im Grunde nicht so wild, aber die Stücke sind so groß, dass Sie die Kurbelwelle blockieren. Wir haben zwar das Werkzeug für eine Reparatur dabei, aber der Aufwand ist natürlich gigantisch. So entscheiden wir uns den Ersatzmotor von Arndt einzubauen. Eben der Motor, der Arndt 2011 selbst zum Stehen gebracht hat, in Frankreich.
Gute zwei Stunden beschäftigt uns der Umbau und so fahren wir erst gegen 16:30 Uhr weiter. Doch auch dieses Erfolgserlebnis sollte nicht lange anhalten. Marcels Moped qualmt aus dem Auspuff erheblich, heftig weißen Rauch. Das ist in der Regel ein Zeichen für einen falsch eingestellten Vergaser. Also müssen wir nochmal Hand anlegen. Beim Zerlegen des Vergasers fällt auf, dass sich das Plättchen ziemlich weit unten an der Nadel verklemmt hat und somit massiv zu viel Benzin am Zylinder ankam. Wir beheben das Problem und treten das Moped an. Nach 2 min im Standgas zeigt sich ein relativ normales Abgasbild und wir fahren weiter. Wobei normal bei uns immer relativ ist, da wir immer etwas mehr Öl mischen (1:40 statt 1:50).Weiter geht es, bis zur nächsten Tankstelle, wo wir ein letztes Mal die Mopeds und Kanister voll machen. Gute 265 km vor dem Ziel fahren wir gegen 18:30 Uhr weiter. Wir kommen ohne weitere Probleme gut voran und machen nach 50 km kurz vor Lüneburg noch eine etwas längere Pause am Imbiss Golden Crown. Hier packen Jonas, Jan und ich alle unsere Sachen zusammen. Von hier aus werden wir uns wieder von der Gruppe trennen, um zurück nach Bielefeld zu kommen, währen Marcel, Ronny, Patrick, Arndt, Ben und Matze wieder nach Ballenstedt fahren. Wir trennen uns gegen 20:30 Uhr vom besagten Imbiss und treten die letzten 215 km mit nicht mehr ganz so vollen Tanks und einem 5l Reservekanister an. Aufgrund der Uhrzeit und des geringer werdenden Verkehrs schaffen wir zügig ein paar Kilometer.
Bevor es richtig dunkel und kalt wird machen wir noch einmal Halt, um uns warm anzuziehen. Das heißt, Pullover, Handschuhe, und die Regenkombi. Die schützt, auch wenn es nicht regnet, sehr gut vor Wind. Bei der Gelegenheit füllen wir unsere Tanks aus dem Kanister auf. Ab jetzt machen wir nicht mehr viel Pause. Wir sind reichlich kaputt und wollen nun auch wieder ins schöne warme Bettchen. Eine Kaffeepause gönnen wir uns noch und vertreten uns die Beine, damit wir nicht zu träge werden. Aber auch hier halten wir uns nicht länger als nötig auf und so geh es nach 30 min weiter nach Bielefeld.
Kurz vor Herford muss Jan auf Reserve schalten. Zwar will er an eine Tankstelle ran fahren, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir es auch so schaffen. Zumal wir ja zur Not noch etwas von Jonas oder mir abzapfen können. Und es kommt natürlich wie es kommen muss, zwei Kilometer vor dem Ziel geht der Roller aus. Wir füllen also noch ein bisschen für Jan ab, damit er die letzten Kilometer nicht schieben muss.
Zwei Uhr in der Nacht kommen wir völlig erschöpft bei mir zu Hause in Bielefeld an und stellen direkt die Mopeds in die Garage. Viel laden wir nicht mehr ab. Wir trinken noch ein Bierchen und bekommen die Nachricht, dass die anderen bereits seit zehn Minuten in Ballenstedt angekommen sind und fast schon ihr zweites Bierchen aufmachen. Wie ärgerlich, denken wir uns, nur 10 Minuten. Was soll’s. Wir schalten das Licht in der Garage aus, gehen hoch und legen uns dann bald in Bett.
Erschöpft von einer Reise, die alles andere als normal war. Von einer Reise, die so anders und doch so gewohnt war. Und vor allem so anders, als wir alle erwartet haben.
Sie war sehr hilfreich!
Zum einen, weil wir viel Glück hatten, Leute kennen gelernt zu haben, die uns in verfahrenen oder brenzligen Situationen geholfen haben. Wie Bernd, Siggi, die Helfer mit den Rollerrädern, die Kollegen aus der Werkstatt mit dem Kettenfett, Adam und seine Familie, unsere Familien,… oder unsere Sponsoren. Zum anderen, weil wir mal etwas zurückgeben konnten an unseren finnischen Freund. Diese Reise hat uns geholfen zu erkennen, wer wir sind, wie wichtig uns diese Touren sind, nicht weil es um Simson geht, weil es um die Gemeinschaft geht, um dasselbe Hobby, um dasselbe Ziel. Auch die Situation in Riga hat uns dabei geholfen zu erkennen, wer wir sind. Man kann sich mal missverstehen, aber man muss auch darüber reden können. Wir haben es bisher immer geschafft wieder zu uns zu finden und das nicht nur, weil wir uns seit Jahren kennen. Weil wir Freunde sind und uns gegenseitig vertrauen.
Und während mir noch der ein oder andere Gedanke durch den Kopf fliegt, bin ich stolz. Stolz diese Strecke geschafft zu haben und Teil dieser Gemeinschaft zu sein, die sich immer auf einander verlassen kann und immer für einander da ist. Auch wenn lange gerade Straßen, karge Landschaften und schlechtes Wetter die Stimmung nach unten zieht weiß ich doch – Jungs, mit euch habe ich immer Spaß!
Danke! Bis zum nächsten Jahr!